Ausgangslage & Problemstellung
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spüren besonders den sich anhaltend verschärfenden Wettbewerbs- und Innovationsdruck. Stückzahlen sinken, die Produktvarianz nimmt zu, etablierte Prozesse und Strukturen werden aufgrund geänderter Marktbedarfe und neuer Technologien obsolet. Um in Zukunft marktfähig zu bleiben, müssen KMU flexibler werden, Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, Prozesse umgestalten und soziale Belange der Belegschaft besser adressieren. Außerdem fehlen durch den demografischen Wandel Fachkräfte, da wenige junge Mitarbeiter:innen nachrücken. Die vorhandene Belegschaft muss motiviert bleiben und befähigt werden, neue Aufgaben zu akzeptieren, diese wahrzunehmen und sich permanent weiterzuentwickeln. KMU verschiedener Branchen sind dabei nicht alle in gleicher, aber in ähnlicher Art sich rasant ändernden Bedingungen ausgesetzt.
Angesichts dieser Herausforderungen wird seitens Unternehmen und Forschung oft die Reorganisation der Fertigung und Montage als vielversprechende Lösung angesehen, beispielhaft hierfür ist die Matrixproduktion. Nach dem neuen Strukturprinzip der Matrixproduktion entstehen resiliente, wandlungsfähige Produktionssysteme, die über viele Varianten und große Stückzahlbereiche effizient skalieren können und so Flexibilitätsvorteile der Werkstattfertigung mit Produktivitätsvorteilen der Fließfertigung verbinden. Die Matrixproduktion (s. Abb. 1) besteht aus autarken, frei anfahrbaren Prozessmodulen (Montagezellen, Technologiestationen oder ganzen Bereichen bzw. Linienabschnitten), die beispielsweise durch fahrerlose Transportsysteme (FTS) oder Flurförderzeuge verbunden sind. Zur Umsetzung der Matrixproduktion als soziotechnischem System ist die Anwendung des MTO-Konzepts (Mensch, Technik, Organisation) notwendig, da mit derart tiefgreifenden technischen und organisatorischen Umgestaltungen auch immer erheblicher Veränderungsbedarf für Menschen, soziale Systeme und deren Interaktionen untereinander und mit der Technik einhergehen.
Zielsetzung
Für eine veränderungs- und zukunftsfähige Matrixproduktion sind qualifizierte Fachkräfte, die sich stetig neue Kompetenzen aneignen, essenziell. Dafür ist es nötig, die Arbeit lernförderlich zu gestalten, in der die Beschäftigten ihre Kompetenzen in sozialen und permanenten Weiterbindungsprozessen der lernenden Fabrik stetig den neuen Anforderungen anpassen. Dabei werden Sie durch Technik unterstützt. Daraus ergeben sich folgende Projektziele:
- Es soll eruiert werden, wie Beschäftigte ihre Qualifikationen und Kompetenzen im permanenten Weiterbildungsprozessen lernender Fabriken stetig und möglichst selbstorganisiert den Anforderungen der sich rasant ändernden Arbeits- und Geschäftsprozessen anpassen und dabei durch die Technik unterstützt werden können.
- Der spezifische Kompetenzbedarf für Beschäftigte und die Randbedingungen für die Organisation und Gestaltung des Kompetenzerwerbs aus den besonderen Bedingungen einer Matrixproduktion soll abgeleitet werden.
- Es gilt herauszufinden, wie sich informelle und non-formale Lernsituationen parallel zum Wertschöpfungsprozess in den betrieblichen Alltag integrieren, und durch technische Assistenzlösungen für eine systemintegrierte verteilte Schulung unterstützen und in einem matrixorientierten Produktionssystem steuern lassen.
- Die Möglichkeiten, wie der Prozess des informellen und non-formalen Lernens spezifischer Kompetenzen mit dem Prozess des formalen Erwerbs erforderlicher Qualifikationen effizient verbunden werden kann, sollen festgestellt werden.
- Die Unternehmenskulturen, die den spezifischen Anforderungen an Reagibilität und Standardisierung der Matrixproduktion bestmöglich gerecht werden, sollen identifiziert werden.
Methodischer Ansatz
Die einzelnen Arbeitspakete sind in Abbildung 2 als Visualisierung zusammengefasst.
Die Dimensionen (Mensch, Technik und Organisation) des soziotechnischen Systems werden zunächst in Form einer Anforderungsbestimmung im ersten Arbeitspaket (AP1) definiert. In AP2 wird der erweiterbare Lösungsbaukasten, basierend auf den Ergebnissen aus AP1, entwickelt und umgesetzt. Der Lösungsansatz soll dabei Gestaltungsrichtlinien für Assistenzsysteme, Methodiken zur multikriteriellen Optimierung von Lern- und Fertigungsaufträgen und organisatorische Leitfäden zur Vermittlung von Problemlösekompetenzen und qualitäts- und sicherheitsförderlicher Kompetenzen in der Matrixproduktion beinhalten. In AP3 werden die entwickelten Methoden aus AP3 an die Anforderungen zweier Anwendungspartner in zwei Forschungsmustern umgesetzt: Realisierung der Lernmodul- Steuerung im MES und die Erweiterung der eigenentwickelten Werkerassistenz um die technische Lernassistenz. Die Lösungen werden daraufhin in AP4 in den Anwendungsfällen „informelles Lernen in der Produktion“ und „informelles Lernen in der Montage“ erprobt. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt in drei Schritten in AP5:
- Austausch im Konsortium und interessierten Stakeholdern
- Integration der Lösungen in künftige Produkte und Dienstleistungen der Partner
- Öffentlicher Diskurs der Ergebnisse im Rahmen von Veröffentlichungen und Veranstaltungen